Tags
achtsamkeit, learning, menschen, perception, presense, senses, soul, weg
Ein Mann, der sogar für sich selbst ein Fremder war, verliebte sich in eine befremdliche Frau. Er sagte es ihr. Sie war eine befremdende Frau, ganz einsam, teilnahmslos, mit Schmetterlingen im Kopf. “Wenn du mich liebst”, sagte sie, “so weiss ich nicht, ob ich dich lieben kann!” “Wie kann ich dich dazu bringen, dass du mich liebst?” fragte der Mann. “Ich kenne das Meer nicht”, sagte die Frau, “ich kenne weder den Wald noch die Wildnis. Ich träume von Orchideen, seit ich gehört habe, dass es sie gibt. Ich bin von Geburt an immer zu Hause gewesen. Ich bin nie weiter als bis zu meinem Gartenzaun gekommen.”
In den Augen der Frau lag so etwas wie eine heitere Traurigkeit, bezähmtes Heimweh, alte und ausweglose Verzweiflung. Trotzdem wagte sie es, ähnlich wie jemand, der im Bächlein hinter dem Haus Wale fangen möchte, ihn zu bitten:
“Nimm mich mit ans Meer.”
“Einverstanden”, sagte der Mann. “Pack deine Sachen, und wir fahren los.”
“Ich möchte aber zu Fuss gehen, nackt und mit verbundenen Augen.”
“Dann siehst du den Weg nicht.”
“Du wirst mich führen.”
“Aber dann kannst du den Wald nicht sehen und die Urwälder, du lernst die Orchideen nicht kennen. Du kannst den ersten Blick auf das Meer nicht geniessen.”
“Vielleicht kann ich das alles sehen und kennen lernen, wenn ich in deine Augen schaue.”
“Und dann wirst du mich lieben?”.
“Bevor du mir die Augenbinde abnimmst, beschreib mir das Meer. Wenn ich es dann mit eigenen Augen sehe, werde ich wissen, ob ich dich lieben kann oder nicht.”
(M.T. Aguilera Garramuño)